1154 Tage Afrika Mauretanien

Per Zug in die Sahara und zu Fuss hindurch

›› Nouakchott, Mauretanien
Ababa, unser mauretanischer Fahrer, holt uns alle morgens ab und fährt die anderen zwei Mitfahrer beim Busbahnhof ab. Uns zeigt er die Stadt.

Nouadhibou

Die Stadt ist ein Staubhaufen. Die Trottoirs sind aus oder voll Sand, auf der Strasse liegt Sand, die Nebengassen sind sowieso auch aus Sand. Sogar die Häuser scheinen aus Sand zu sein. Es gibt ein «Quartier chic», wo auch Ababa wohnt, wie er uns stolz verkündet und das Stadtzentrum.

Quartier chic von Nouadhibou

Ababa fährt zum Ziegenmarkt, weil er eine Haut kaufen will. Neben dem Armenviertel, wo Häuser mehr schlecht als recht aus Wellblech zusammengezimmert stehen, blöken die vielen Ziegen. Wir fahren mit dem Auto durch. Das genügt auch vorerst.

Ein Menschengewirr herrscht in den Strassen, unsere Füsse sind im steten Kontakt mit Sand, die Sonne brennt auf unsere Köpfe. Wir fallen ziemlich auf. Wir wollen Früchte kaufen. Eine grosse Früchte- oder Gemüseauswahl gibt es hier nicht. Wächst kaum etwas in dieser trockenen und sandigen Landschaft. Viel muss von Marokko oder Spanien importiert werden.

Ziegen im Abfall

Ansonsten findet man Karotten, Kohl, Kartoffeln, Tomaten. Und Bananen. Eine riesige Herde grüne Fleischfliegen schwirrt vom Fruchtstand auf, als wir uns diesem nähern. Man tut gut bei Bananen zu bleiben.

Die Leute sind alle sehr freundlich. Trotzdem wissen wir noch nicht, wie schnell wir die Stacheln, die wir uns in Marokko zugelegt haben, einziehen sollen.

Ababa kümmert sich rührend um uns. Er verspricht, da er schliesslich 35 Jahre bei der Minen-Eisenbahn gearbeitet hat, ein Ticket für den Zug zu organisieren. Der Zug gehört zu den längsten der Welt und fährt mehrmals täglich von Nouadhibou aus nach Zouérate, zur Eisenerzmine. Am Ende des Zuges, was in diesem Fall etwa zwei Kilometern hinter den beiden Lokomotiven bedeutet, gibt es einen Wagon für Passagiere.

Ababa mit JC

Der Wagon sei proppenvoll, die Reise mehr als staubig und das für zwölf Stunden bis nach Choum. Ababa verspricht uns Plätze im «VIP», dem kleinen Wagon, der einer Lokomotive gleicht, der für wichtige Leute aus der oberen Etage der Mine da ist. Wir glauben noch nicht so daran.

Am Abend werden wir von ihm zu seiner Familie eingeladen. Zum Tee. Teetrinken ist eine grosse, sehr soziale Zeremonie, welche die Mauretanier zu jeder nur möglichen Gelegenheit tun. Mindestens aber dreimal am Tag.

Der Grüntee wird in kleinen Teekannen aufgekocht und mit Zucker gesüsst. Süss, aber nicht so klebrig wie in Marokko. Auch der Pfefferminz kommt nur in einem Hauch vor. In die kleinen Gläser, etwa so gross wie ein Schnapsglas, wird der Tee aus der Kanne ein- und umgefüllt. Vom einen Glas zum anderen wird aus guter Höhe der Tee eingeschenkt und ins nächste Glas umgefüllt. Mit gutem Schwung, denn das Ziel ist eine kompakte Masse an Teeschaum herzustellen. Für jedes Glas. Ein guter Schaum ist das A und O des Tees. Danach dürfen wir unser erstes Glas Tee kosten. Vorzüglich. Wirklich. Es müssen drei Gläser getrunken werden, danach muss noch gewartet werden, bis das Teeservice ausgespült ist. Was auch vor den Augen der Gäste gemacht wird. Und das ist immer so, nicht nur, weil sie gerade Tee für die Touristen brauen…

Ababas Frau sagt schmunzelnd: «Wir versuchen eben das Zusammensein so lange wie möglich heraus zu zögern».

Man muss mit genügend Zeit zum Teetrinken kommen. Drei Tees zu trinken, auch wenn pro Glas nicht mehr als zwei Schlücke drinn sind, braucht so seine Zeit.

Die Tochter schenkt mir ein grosses Tuch. Ich staune sehr. Es ist ein Tuch, welches die Frauen hier als Kleider tragen. Der feine und farbige Stoff ist sicher fünf Meter lang und wird schwungvoll um den Körper und Kopf gewickelt. Alle Frauen sind Farbig gekleidet und sehen für meinen Geschmack viel schöner aus als eine «Djellaba» mit Kopftuch.

Pünktlich wie versprochen holt uns Ababa am nächsten Morgen ab und wir fahren zur Zugstation. Es warten schon viele Leute mit ihren riesigen zusammengeknöpften Tüchern, die mit Waren vollgestopft sind.

Der Zug fährt ein

Als wir uns dem Wagon für die Mitarbeiter nähern, winkt uns ein Typ nur weiter nach hinten. Aber Ababa kommt und winkt mit einem Papier, das besagt, dass für uns zwei Betten in einer Kabine reserviert seien!

Es funktioniert. Drei Betten stehen in einem grünen Zugabteil, wo auch schon der Verantwortliche der Lokomotivunterhaltung mitreist, uns begrüsst und willkommen heisst.

Happy im Abteil

Wir können das alles kaum glauben, sind über die Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft der Mauretanier völlig von den Socken. So rollen wir in unserem «VIP» Abteil durch die Wüste. Immer tiefer hinein in die Sahara. Kurz nach Nouadhibou sind wir in der Einsamkeit.

Die ersten Dünen tauchen auf

Ab und zu tauchen Zelte am Horizont auf, ansonsten ziehen von der Abendsonne in goldenes Licht getauchte Sanddünen an uns vorbei, die wir aus dem Zug-Bullauge bestaunen können. Und das alles dank Ababa. Für keinen mickrigen Cent…

Zugfenster

Die Fahrt nach Choum bleibt trotz «VIP» kein Zuckerschlecken. Die Fahrt endet um zwei Uhr in der Nacht irgendwo im Nirgendwo. Wir sind von einer feinen Sandschicht bedeckt und schwitzen was das Zeug hält. Es bestand ernsthafte Gefahr im Abteil zu ersticken, bei dem vielen Staub. Von schlafen keine Rede, wenn ein so langer Zug eine winzige Geschwindigkeitsänderung macht, rumpelt es zwei Kilometer weiter hinten, als hätte man gerade eine Kollision mit einem anderen Zug gehabt. Aber wir wollen nicht meckern. Im Gegenteil, haben nun noch mehr Mitleid, mit allen, die im anderen Wagon gereist sind.

Sandige Sache

Im Zug durch die Wüste

In Choum steigen eigentlich alle Leute aus, die nichts mit der Mine zu tun haben. Es wartet eine Schlange Toyota-PickUps, die auf die aussteigende Kundschaft warten. Wir staunen eigentlich nur noch, wissen nicht recht, was wir hier in der Dunkelheit tun und hoffen, dass diese Autos weiter fahren und auch wissen wo durch ;-).

So fahren wir im Dunkeln, unter einem enormen Sternenhimmel nach Atar. Die grösste Stadt der Region Adrar. Der Fahrer ladet uns in einer Auberge ab, die Besitzerin wird geweckt, es ist erst knapp sechs Uhr. Wir bekommen ein Zimmer mit zwei Matratzen am Boden und legen uns ein paar Stunden hin.

Atar Boutique

Atar ist auch eine staubige Stadt. Kein Wunder, nimmt die Sahara doch einen grossen Teil des Landes ein und für den Sand sind wir schliesslich hier. 
Die Hauptstrasse ist gesäumt mit einfachen Häusern, Mechaniker, Garagen, Boutiquen mit Esswaren, Menschen, Waren und dazwischen Ziegen die den Abfall fressen oder über die Strasse laufen.

Atar Stadt

Atar

Es ist unglaublich heiss. Für uns auf alle Fälle. Hier ist auch Winter und die meisten Mauretanier finden es kalt.

Als Tourist wird man ständig gefragt was man tut, woher man kommt, wohin man fährt und wenn denn wann. Da passiert es oft, dass die Leute schon wissen, dass man kommt, bevor man es selber weiss. 
Das ist überhaupt nicht böse gemeint, es ist mehr ein Nationalsport alles zu wissen und vor allem weiter zu erzählen und wenn man die Geschichte nicht genau kennt, erzählt man halt ein bisschen blumiger. ;-)
Es läuft alles lockerer ab, vor allem weniger Nervenaufreibend als in Marokko. Für uns auf alle Fälle. Man wird oft von jemandem so weiter gegeben. Der Fahrer hat eine Nichte mit einer Auberge, der Taxifahrer ist der Onkel, der einen Freund hat mit gutem Wechselkurs.

Noch in keinem anderen Land haben wir so viele Telefonnummern ausgetauscht und Adressen bekommen wie hier. Hier spielen Beziehungen und Bekanntschaften eine grosse Rolle. Jemand kennt immer jemanden, der einem helfen kann.

Wir suchen etwas gemütlicheres als die Stadt Atar. Azougi hört sich gut an und ist nur 20 Minuten von Atar entfernt. Im «Taxi Brousse», was soviel wie Buschtaxi heisst, aber alles mögliche an Auto sein kann und einfach mit anderen geteilt wird, geht es zur Oase, wo auch das Wasser für Atar her kommt.

Wir sind baff, als wir von oben die pittoresken Häuschen sehen. Ton in ton passen sie in die Landschaft. Überall stehen «Tikits», aus feinen Ästen zusammengebaute Halbkugeln, die oben Spitz zulaufen oder «Khaimas», grosse Zelte aus Stoff, die vor Hitze und Wind schützen und als gemeinsamer Raum, eine Art Wohnzimmer gebraucht wird. Es sieht wirklich schön aus.

Traditionelles Khaima

Oasen und Berge

Die Auberge die uns empfohlen wurde (eigentlich die einzige hier) ist ganz am Schluss des Dörfchens. Kinder winken uns zu, es herrscht eine ruhige und ausgeglichene Atmosphäre. Gleich am Anschluss zur Auberge steht pompös eine grosse, goldene Düne, die in viele weitere Dünen über geht und sich in ein ganzes Dünenmeer verwandeln.

Düne

Tikits zum Schlafen

Wir schlafen in einem kleinen «Tikit», auf Matratzen am Boden. Khassem und seine Familie führen die Auberge sehr unkompliziert und man kann auch hier essen. Zum Glück, denn sonst gibt es absolut nichts hier. So haben wir quasi Wüsten-Vollpension. Zuerst wird ein Willkommenstee im grossen «Khaima» getrunken. Er ist perfekt mit wunderbarem Schaum. Kinder und Familienmitglieder schauen vorbei, trinken auch Tee, oder machen nur kurz einen Halt zum Schwatz. Wir fühlen uns sehr wohl hier.

Sandmeer

Endlich in der Natur, endlich zur Ruhe kommen. Die Landschaft ist traumhaft, die grosse Düne kann per «Wüstentor» erklimmt werden. In der Ferne fressen Kamele, ansonsten sind ein paar Häuschen zu sehen, aber vor allem Sand, Sand und nochmals Sand.

Kamel

Dünen...

Das Wüstentor

Am nächsten Morgen stehen wir schon früh vor dem «Wüstentor». Es soll zu einer Oase, etwa vier Kilometer entfernt gehen. Das Gefühl wenn man in Flipflops gemütlich durch die Dünen spaziert ist schwierig zu beschreiben. Es ist einfach genial.

Strukturen

...soweit das...

Gniessen

Ein konstanter Wind bläst über die Landschaft, man ist froh, ein Tuch oder «Shesh» zu haben, wie es die Einheimischen Männer als «Turban» tragen. 
Der Wind fegt über die Spitzen der Dünen, die sich als feiner Sandhauch über die Landschaft verteilen.

Vom Winde verweht

Der Sand schimmert an Stellen fein lachsrosa, rieselt perfekt und fühlt sich angenehm kühl an unter der doch heissen Oberfläche.
Beim Hinweg sind die Temperaturen noch nicht so hoch, aber als wir bei der Oase ankommen ist es fast Mittag. Der Ort ist wunderschön, eine Oase, wie man es sich vorstellt. Auf der einen Seite schwarze Steine, die sich mit dem goldenen Sand mischen, ein kleiner See, die Palme fehlt natürlich auch nicht.

Oase nähe Azougi

Der Rückweg ist lange und sehr heiss. Aber die Strapazen haben sich voll und ganz gelohnt. Wir sind voll neuer Eindrücke und Bilder und bekommen bei der Rückkehr den Magen mit «Ksour» gefüllt. Eine Schüssel wird mit einer Art Crèpes ausgelegt, darauf wird viel Sauce, Gemüse und Fleisch gefüllt. Die Crèpes saugen sich mit köstlicher Sauce voll, was man dann noch versuchen sollte mit der rechten Hand zu essen. Mit einem Löffel gibt es eindeutig weniger Sauerei…

Und weg bin ich

Wir sind bis jetzt positiv überrascht von diesem Land. Wenn man den Namen «Islamische Republik Mauretanien» hört, gibt es sicher welche, die die Nase rümpfen. Man findet hier alles, ausser Extremismus. Die Menschen sind höflich und gastfreundlich, wir sind wirklich gut aufgehoben in diesem Land.

... Auge reicht.

Es geht noch weiter in der Sahara, das nächste Mal…

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