›› Nouakchott, Mauretanien
Nach Azougi wäre der Plan nach Ouadane zu fahren, denn die Leute erzählen Schönes über den Ort. Leider gibt es nur ein «Taxi Brousse», der Ort wird nicht oft angefahren. Der Fahrer zeigt kein Interesse und der Preis ist sowieso zu hoch. Da wir uns den Kopf nicht unnötig zerbrechen wollen, zücken wir Plan B aus der Tasche. Den müssen wir aber verlegt haben, also endet die Fahrt spontan in Chinguetti.
Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs zu sein wird, umso südlicher man kommt, mühsamer. Afrika ist nicht unbedingt ein Kontinent, den man praktisch in Bussen erkunden kann. Darum fahren sicher auch so viele mit dem Auto von Europa hier herunter. Mit dem Rucksack unterwegs zu sein braucht unglaublich viel Zeit. Vor allem Geduld und leider kommt man nicht überall hin. Scheint Lateinamerika für Busreisen wie geschaffen zu sein, ist es Afrika weniger.
Es geht mehrere Stunden, bis das Auto voll ist, denn erst dann geht es los. In Chinguetti weiss wahrscheinlich schon das halbe Dorf, dass wir kommen. Als ich ein öffentliches Klo suche, kommt mir ein bis dahin völlig unbekannter Mann entgegen und hält mir sein Mobiltelefon entgegen. «Für Dich» sagt er völlig selbstverständlich.
Abdou, von einer Auberge in Chinguetti ist am anderen Ende. Ich bin mir aber nicht ganz sicher. Auf alle Fälle staunt man nicht schlecht, wenn man mal so rasch am Telefon verlangt wird 😉
Ababa, unsere Bekanntschaft aus Nouadhibou kennt Abdou. Ein Familienmitglied. Wahrscheinlich um hundert Ecken herum. Es hat uns schon angekündigt und seit unserer Abreise in Nouadhibou sicherlich täglich angerufen, ob wir nun gut angekommen sind. Was für eine Kundenpflege 😉
Chinguetti liegt zwei Autostunden von Atar entfernt. Es ist nach wie vor heiss und staubig. Recht schnell wird über die Strasse gedüst, auf der viel Sand liegt, der Wind sorgt stets für Nachschub. Immer wieder tauchen wartende Personen am Strassenrand auf, die wir auflesen. Kurz vor Chinguetti winkt wieder jemand. Im grellrosa Anorak mit Pelzkapuze. Der Mann steht in der prallen Sonne. Man vergisst es einfach immer wieder, es ist ja Winter…
Das Buschtelefon funktioniert hervorragend, wir werden erwartet. Diese Region (Adrar) ist die «touristischste» Mauretaniens. Aber von Touristen ist im Moment keine Spur zu sehen. Seit zwei Jahren nimmt der Tourismus stark ab, erzählt man uns. Mauretanien macht immer wieder einmal Schlagzeilen in den Zeitungen, was die Leute ein bisschen abhält gross Ferien zu machen. Die meisten fahren durch, ohne das Land wirklich zu besuchen.
Die Oasenstadt mit etwa 2500 Einwohnern, ehemals religiöses Zentrum des Islam, wurde dreimal Aufgebaut. Immer, weil der Sand die Überhand genommen hat. Wir wohnen gleich gegenüber der Altstadt, auf der anderen Seite des «Oued», dem trockenen, sandigen Flussbett.
Auf dem Weg zu einer Bibliothek, wo man bedeutende arabische Manuskripte besichtigen kann, folgen uns wahrscheinlich alle Verkäuferinnen des Ortes im Gänsemarsch. Der letzte «Toubab» (Weisser) liegt schon ein paar Tage zurück. Schwierig allen klar zu machen, dass man kein Interesse an ihrem Schmuck hat. Ich sympathisiere mit Mariam und verspreche trotzdem in ihrer Boutique vorbei zu schauen. Zum Tee trinken versteht sich.
Bald kennen wir in unserem kleinen Quartier bald jeden und haben sicher schon überall Tee getrunken. Die süssen Getränke machen richtig süchtig, die täglichen Besuche werden ein Ritual. Unbemerkt schleicht sich bei einem die Nationalkrankheit auch ein. Das Herumerzählen und Infos verdrehen. Es ist sehr gemütlich und amüsant mit den Leuten hier zu schwatzen und das Dorfleben zu geniessen.
Wir haben ausserdem noch etwas anderes gemacht, als nur Tee getrunken. Wir sind zwei Tage durch die Sahara marschiert.
Während dem Frühstück kommen zwei Kamele um die Ecke, die fröhlich vor der Haustüre parken. Sie scheinen stets zu grinsen. Unsere Wüstenschiffe. Kamele. Eigentlich Dromedare, weil Einhöckerig, aber irgendwie sagt man trotzdem immer Kamel.
Der Proviant, Wasser, Decken und Töpfe hängen an den beiden Tieren, wir zotteln neben ihnen her Richtung Dünenmeer.
Nachdem der Abfallhaufen, den es immer in die gleiche Richtung weht, hinter uns liegt, kommen endlich die Dünen, auf denen die Fussabdrücke nun weniger werden. Umgeben von grossen Sandhaufen dürfen nun wir auf den Rücken der Tiere klettern. Zum Glück ein Stück weg von der Stadt – das hätte sonst für gute Unterhaltung gesorgt. 😉
Unser Kamelführer sagt, auch wenn er für längere Zeit in die Sahara gehe, sitze er nie auf dem Kamel. Bei einem «Meharée», wie man sagt, sind die Tiere hauptsächlich da, die Lasten zu tragen.
Wir schaukeln durch abwechslungsreiche Gegenden. Obwohl immer die Dünen in Sichtweite sind, oder gerade eine überquert wird, verändert sich die Landschaft. Die Farbe des Sandes, der Untergrund, er ist weich, manchmal hart. Auf härterem Boden hört man das Schlurfen der Tiere, als wenn sie in zu grossen Hausschuhen gehen würden.
Von einem Kamel abzusteigen ist eine wackelige Angelegenheit. Das Tier sitzt zuerst auf seine Vorderbeine, dann geht es hinten nach unten. Als würde man sich auf einem sinkenden Schiff befinden. Zeit für die Teepause mit Datteln, Erdnüssen und Keksen.
Zur Mittagszeit sind wir in einer Oase. Nafa, unser Guide und «Chamelier» ist ebenso der Koch und zaubert sehr leckere Gerichte, alles aus dem gleichen Topf. Reis mit Wurzelgemüse oder Nudeln mit Gemüse.
Wir hofften in der Natur von Verkäufern verschont zu bleiben. Leider nicht hier. Die fünf Familien, die da wohnen probieren es alle. Nach dem Tee und einem Nickerchen geht es weiter, muss die Schlafstelle irgendwann vor Einbruch der Dunkelheit erreicht werden.
Ein paar Stunden später wird das Nachtlager unter dem freien Himmel aufgeschlagen. Ein grosser Teppich, darauf zwei Matten, die eigentlich nicht einmal mehr diesen Namen verdienen. Wir freuen uns trotzdem auf die bevorstehende Nacht.
Es wird Holz gesucht, was ganz schnell geht, bei den vielen Akazienbäumen, die hier wachsen. Der Reistopf blubbert auf dem Feuer, Nafa bereitet einen einfachen Brotteig her um eine «Galette», eine Art Fladenbrot, welches er im heissen Sand ausbacken will. Fürs Frühstück.
Mit einem warmen Bauch, wickeln wir uns dick in die Decken ein und versuchen zu schlafen. Das ist heute nicht ganz einfach, es ist fast taghell. In ein paar Tagen ist Vollmond. Es ist so hell, dass man die Sterne nicht mehr leuchten sieht.
Nafa läuft selbst Nachts die meiste Zeit den Kamelen hinter her. Damit er am Morgen die Tiere nicht zu weit weg suchen muss. Obwohl den Vierbeinern die Vorderbeine zusammen gebunden werden, hüpf-laufen sie doch sehr weit. Kamele fressen nämlich ständig. Die haben einen richtigen Kohldampf. Kein Wunder, ist das harte Gras hier draussen nicht sehr nahrhaft. Frisst ein Kamel richtig gutes Futter, braucht es kein Wasser.
Als der Mond endlich untergeht, sieht man wie tausende Sterne am schwarzen Himmel funkeln. Sternschnuppen eilen über unseren Köpfen hinweg. Wunderschön. Aber auch ein bisschen kühl.
Mit dem Sonnenaufgang gibt es schon eine heisse Tasse Kaffee, womit wir die Konfi-«Galette» hinunter spülen. Der Rücken macht sich bemerkbar und bedankt sich mit ordentlichen Zwicken für die letzte Nacht.
Wir marschieren vorerst. Erstens ist es derzeit angenehm kühl, zweitens jammert ebenfalls das Hinterteil über den harten Sattel und drittens besteht die Gefahr beim Kamelschaukeln wieder einzuschlafen. 😉
Nafa macht immer wieder seinem Namen als Teemeister seine Ehre. Mit ein bisschen Holz entfacht er geschickt ein Feuerchen. Viel braucht es nicht, bei den winzigen Teekannen. Es ist faszinierend im Schatten einer Akazie zu sitzen und gemütlich Tee zu trinken.
Der Weg zurück nach Chinguetti ist nicht derselbe wie beim kommen. Noch ein letztes Mittagessen in der sandigen Landschaft unter einem eher dürftigen Bäumchen. Wir geniessen die Farbspiele der Sandwellen, erhaschen die letzen Anblicke der Dünen, die immer tiefer ins Abendrot eintauchen. Von den Dünen umgeben, merkt man bis jetzt nichts von der nahen Stadt. Bis das Telefon von Nafa klingelt – was dann doch ein bisschen den Zauber vom Ganzen nimmt.
Auch wenn Chinguetti alles andere als eine grosse Stadt ist, kommt einem die Rückkehr vor, als würde man gerade nach Paris einreisen.
Chinguetti lässt uns noch nicht gehen. Geniessen wir die Gastfreundschaft von Abdou, welcher mit viel Humor und Gelassenheit sein Leben und die «Auberge» meistert. Am Freitag ist «Tabaski», das Hammelfest, es ist das wichtigste Fest für Muslime. Die Kinder bekommen neue Kleider, die Erwachsenen ziehen ihre schönsten «Boubous» an.
An diesem Tag lassen viele Schafe ihr Leben. Abdou lädt uns zu seiner Familie ein, wo es das Schafsgericht gibt. Ein sehr gutes Fleischgericht, mit Sauce, sehr vielen Zwiebeln und Brot.
Aber zuerst ein paar Datteln und natürlich der Tee. Abdou schenkt JC ein «Boubou», ein hellblauer Umhang, wie die Männer ihn hierzulande tragen. Ich werde bei der Familie mit einem Tuch eingewickelt. Man muss glaube ich nicht erwähnen, dass wir uns ziemlich verkleidet vorkamen, aber was macht man nicht alles als Tourist 😉
Das Essen war auf alle Fälle lehrreich und gut. Der Rucksack füllt sich immer mehr mit Geschenken, sollen wir den «Boubou» und das Tuch behalten. Wir wissen zwar nicht mehr wohin mit allem, sind aber sehr über die Gastfreundschaft gerührt.
Sonst kann man nicht sagen, dass es wirklich festlich ist in Mauretanien. In anderen afrikanischen Ländern soll es doch (feucht)fröhlicher zu und her gehen. Aber die Mauretanier nehmen es viel genauer mit dem Alkohol, als andere muslimische Länder.
Am nächsten Tag ist Nationalfeiertag. Nachdem das Militär die grüne Fahne gehisst hat, singen ein paar Kinder, machen Sackhüpfen, oder dürfen mit verbundenen Augen ein aufgehängtes Geschenk erhaschen.
Es hat geheissen es gebe Esel- und Kamelrennen. Aber heute ist jemand gestorben, es wird alles abgeblasen.
Wir schlagen den Rekordaufenthalt in Chinguetti. Eine Woche haben wir es uns gemütlich gemacht. Die Leute kennen gelernt, Tee getrunken und viel geredet. Es ist spannend, wie schnell man mit den Menschen hier in Kontakt kommt, vor allem wenn man sich ein bisschen Zeit lässt. In Mauretanien ist niemand im Stress, also sollte man es selber auch nicht sein.
Bevor wir uns hier ganz nieder lassen, organisiert uns Abdou eine Rückfahrmöglichkeit. Mit noch mehr Geschenken (Teekanne und Teegläser) sitzen wir im «Taxi Brousse» zurück nach Atar, wo mehrere Stunden später ein Bus in die Hauptstadt Nouakchott fährt. Wir sind zu dritt, ein unterhaltsamer Pole ist mit von der Bus- und Wartepartie. Wir kommen erst im Dunkeln in der Hauptstadt an. Aber die Suche nach einer «Auberge», wie günstigere Hotels hier heissen, geht dank der polnischen Begleitung schnell, er war schon einmal hier.
Die folgenden Tage verbringen wir mit Wäsche waschen, Visum für Mali organisieren und ausspannen. An einem Freitag entscheiden wir uns weiter zu fahren und den Weg Richtung Mali ein zu schlagen. Es ist ein weiter Weg, entlang der «Route de l’espoir», der Strasse der Hoffnung. Fast 1500 Kilometer bis nach Bamako, die Hauptstadt Malis.
Das Ticket für die nächstgelegene Stadt (Kiffa) schon in der Hand, sind wir beim Frühstück, eigentlich kurz vor der Abreise, da bietet uns Edgard, ein sehr sympathischer Franzose, Mitfahrgelegenheit nach Bamako an. Ein verlockendes Angebot. Wir können kurz vor Abfahrt des Busses das Ticket Umtauschen und bekommen diskussionslos das ganze Fahrgeld zurück.
Der Abfahrtstag wird auf morgen verschoben. Wir freuen uns sehr auf die gemeinsame Reise, entpuppt sich der Autobesitzer als ganz witziger Kerl.
Wie die Fahrt nach Mali wird, erfahrt ihr das nächste Mal… bis bald!
1 Comment
Dr.Snuggles
19. Januar 2010 at 20:26Hallo ihr Beiden! Wie gehts wie stehts, was machen die Backen? Könnt ihr noch sitzen? Habe gehört, ihr seid schon los mit den Peugeot-Toefflis, bin extreeeem neidisch! Ich hoffe, ihr schreibt bald was darüber und stellt einige Fotos der Knallradreise in den Blog. CU und haend sorg!!
utze