
>> San Pedro La Laguna, Guatemala
Wir sind in Quetzaltenango, allgemein Xela genannt. Es ist auch hier recht kühl und regnerisch. Trotzdem stehen wir unter die saukalte Dusche. Das Wasser ist dermassen kalt, dass die eine Hirnhälfte einfriert und die andere schmerzt. Aber was macht man nicht alles um einigermassen anständig in San Pedro aufzukreuzen.Für diejenigen, die seit Anfang an mitlesen, können sich vielleicht an die Familie in San Pedro erinnern? Wir mutierten dort zu Studenten und wohnten bei einer genialen Familie. Diese wollen wir nun wieder besuchen. Wir haben ihnen versprochen, uns noch definitiv zu verabschieden.
Langes Warten am grossen Busbahnhof von Xela. Es ist eine riesige Stadt, der Busbahnhof mit seinem Markt wohl einer der grössten. Gleichzeitig kommen viele hierher, um Grosseinkauf zu machen. Wahrscheinlich für die kleinen Tiendas in den Dörfern.
Unser Gefährt legt um halb elf ab, hoffen wir. Der Chauffeur putzt auf alle Fälle zufrieden seinen Bus. Schliesslich muss er glänzen.
Aber die Warterei vergeht rasch, es gibt viel zu beobachten hier am Terminal. Die Camionetas, welche Bösartigerweise auch «Chickenbus» genannt werden, stehen hier haufenweise herum. Die Ayudante laden Waren auf, Chauffeure warten bis sie abfahren können, es herrscht ein buntes Treiben. Die Ayudante sind sowas wie die rechte Hand des Chauffeurs. Sie spielen manchmal Blinker, winken Autos weg, sind ein weiteres paar Augen um zu überholen. Sie hieven all die Waren auf das Dach und verzurren diese. Wenn jemand aussteigt, weiss er genau, wem was gehört und schwingt sich manchmal noch bei fahrendem Bus aufs Dach und beginnt die Ware loszumachen. Ein verrückter Job. Gleichzeitig ziehen sie den Fahrpreis ein und wissen genau wer schon bezahlt hat und wer nicht. Wenn jemand mit einer grossen Note bezahlt, weiss er genau von wem sie kommt und gibt meist viel später das Wechselgeld zurück. Wenn der Bus dann losfährt schreien sie etliche Male die Destinationen aus der Türe, um noch Kunden einzufangen. Beim Umsteigen kommen sie zu den neu angekommenen Bussen und tragen wie Ameisen das Gepäck zum anderen Bus. Eine ziemlich hitzige Sache, aber alles funktioniert immer prima.
Wir fahren pünktlich ab. Rascher Halt an der Tankstelle: Voll tanken. Es kann weiter gehen. Aber die Stadt ist gross, etliche Male halten wir aus irgendwelchen Gründen an. Möglichkeiten für die vielen fliegenden Händler etwas von ihrer Ware los zu werden. Ein Mann steigt zu. Drückt einigen Kaugummis in die Hände, damit man die Ware auch begutachten kann. Ein Junge mit geschnittenen Früchten in Säckchen: «Frutas, Fruuutaaas» schreit er. Wir schleichen durch den Verkehr. Die Händler steigen wieder aus.
Kaum bleiben wir irgendwo stehen: «Diarodiariodiario, La Prensaaaaaa» ruft ein Zeitungsjunge. Eine Alte guckt von draussen in den wartenden Bus. Sie ist sehr alt. Sie winkt nur noch mit ihren diversen Nusssorten die in Plastikbeutelchen an einem Brett hängen. Wir sind aus der Stadt, aber der Verkehr stockt ständig. Plötzlich haben wir ein Eis unter der Nase. Der Händler steckt einem die Eiscreme beinahe ins Gesicht. Kaum gutes Verkaufswetter für ihn. Aber wo unsere geliebten frittierten und gesalzenen Kochbananen (wie Chips) bleiben? Wieder eine Fahrzeugschlange. Wieder ein Händler. Diesmal mit Erdnüsschen und Zitronen. Was ist nur heute los? Aber weit und breit keine Bananen. Sehr komisch. Die gibt’s sonst immer. Manchmal haben nicht nur wir Stau, sondern auch die Händler im Bus, wenn gleich mehrere aufs Mal einsteigen. Der Verkäufer mit den Schleckstängeln quetscht sich auch noch rein.
Wieder eine Verkehrsstockung. Dem Ayudante wird es zu blöd. Er rennt auf der gesperrten Gegenspur voraus, der Bus jagt ihm nach. Da wir zu vorderst sitzen, bekommen wir alles hautnah mit. Wurde wohl nichts mit vordrängen: Strassensperre. Wir warten nun auch wie die anderen. Aber egal, schliesslich sind wir grösser und stärker als alle, also dürfen wir das ;-). Es würde sich auch mit dastehender Polizei nicht viel ändern: man schiebt ihnen einfach ein Nötchen rüber…
Ein Laster verteilt Erde auf die noch zu beendende Strasse. Warten. Ah… ein neuer Verkäufer. Diesmal Getränke. Aber unsere Bananen kommen nicht. Wir warten immer noch. Der Strassenarbeiter gibt Zeichen. Es geht noch vier Minuten. Ziemlich präzise…
Ein Neuer steigt zu. Verkündet er vielleicht das neue Testament? Das würde heute noch fehlen. Nein, er will nur dubiose Vitamintabletten loswerden.
Es geht weiter, wir kommen ein gutes Stück vorwärts und düsen über die Dreckstrasse. «Etwas ist vom Dach gefallen» schreit jemand von ganz hinten. Vollbremse. Der Ayudante rennt die Strasse in umgekehrter Richtung, kommt aber mit leeren Händen zurück. Ja wunderbar. Ein Fahrgast klettert nun zur Kontrolle seiner Ware aufs Dach. Vielleicht Fehlalarm, vielleicht auch nicht. Es geht weiter. Aber einer klebt immer noch auf dem Dach. Hoffen wir, er überlebt’s 😉 Wieder Schlange stehen. Was ist denn nun schon wieder? Und wo ist der Bananenverkäufer?
Vor uns ein Pick-up mit fünf neuen Schweinen. Alle noch sauber und rosa. Der Ayudante verschwindet rasch, und ruft den Chauffeur dann an: Der Weg ist frei. Wieder ein spektakuläres Überholmanöver auf der Gegenfahrbahn. Hier wird wirklich keine Regel respektiert. Wir sind wieder die ersten in der Schlange. Warten müssen wir aber trotzdem 😉
Ah. Der Pick-up mit den Schweinen hatte die gleiche Idee.
Die Lösung des Rätsels der verschwundenen Ware auf dem Dach hat sich nun auch gelöst: Es hat sich nur ein Seil, womit ein Heer an Toilettenpapier angebunden war, gelöst. Das Papier ist noch da, die Besitzerin erleichtert. Waaaarten.
Der Bauarbeiter öffnet (wohl extra) auf der anderen Seite die Sperre. Hupkonzert. Wir gewinnen knapp das Rennen. Der Schweinepick-up wird um ein Haar von einem entgegenkommenden Bus überfahren. Überall liegt Erde auf der Strasse und es wird gebaut. Vielleicht verbreitern sie die Strasse? Normalität kehrt ein. Wenn man bei einer Camionetafahrt überhaupt von Normalität sprechen kann.
Wir rasen die engen Kurven runter. Wahrscheinlich würde es sogar einem Formel-1-Fahrer schlecht werden bei dieser Geschwindigkeit. Wir sind auf Wolkenhöhe, man sieht gar nichts mehr. Xela liegt auf 2300 Meter, wir steigen auf 1500 Meter hinab. In der Hoffnung bisschen Sonne zu tanken.
Wir sind wieder auf der Gegenspur. Der Gegenverkehr fährt aber zum Teil auch falsch. Nicht alle. Wenn nur jemand versteht was da los ist. Auf unserer Reise brauchen wir locker vier Schutzengel und die schieben permanent Überzeit 😉
Aber im Gegensatz zu unserer ersten Camionetafahrt, nehmen wir es locker…
Unser taubes Hinterteil ist erleichtert und auch unser Herz: wir sind endlich da. Auch wenn man die alten Schulbusse oft verflucht, sie sind ein günstiges Fortbewegungsmittel. Gleichzeitig erlebt man immer etwas und die Fahrten sind kurzweilig. Und die farbigen Camionetas gehören ebenso zu Guatemala wie die Käfer zu Mexiko.
Wir spazieren in den uns bekannten Strassen von San Pedro zum grünen Haus. Es ist wie nach Hause kommen. Mit «Wir haben euch so vermisst» werden wir begrüsst. Umarmungen, lachen, plaudern. Ja, es ist ein gutes Gefühl, sich wie zu Hause zu fühlen, auch wenn wir ohne Bananen reisen mussten… 😉
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