Camperleben Projekt Bus

Es geht weiter – oder nicht?

›› Schweiz, Sommer 2012

Der Montag beginnt mit Shoppen. Bewaffnet mit einer langen Einkaufsliste fahren wir als erstes in den Campingladen. Der «Camping-Profi» hat alles was das Umbauer-Herz begehrt, bis auf ein paar Ausnahmen finden wir alles. Da der Tag wie geschmiert läuft, gehen wir noch zu «IKEA», um nach einem geeigneten Stoff für den Überzug der Sitzgelegenheit zu suchen. Auch hier: Volltreffer. Der Stoff ist zwar sehr farbig, passt jedoch perfekt zu der schon bestehenden Innenausstattung. Gut zwölf Meter Stoff landen im Einkaufswagen. Schliesslich soll es noch Kissenbezüge und Vorhänge daraus geben. Da es zeitlich passt, landen wir auch noch bei «Bauhaus». Müde, jedoch mit einer erfolgreich abgearbeiteten Einkaufsliste, treten wir die Heimreise an.

Das Stoffmuster 🙂

 

Kurz nach dem Baregg-Tunnel stehen wir im Stau. Und in was für einem. Wir bewegen uns währen Stunden keinen Millimeter. Wir ärgern uns sehr – auch wenn es nichts bringt – über die ständig verstopften Strassen. Wir brauchen fast drei Stunden bis wir wieder auf unserer Baustelle sind. Es ist schon spät – heute machen wir bestimmt nichts mehr. Nur noch erholen von einem doch sehr anstrengenden Tag. Einkaufen und Staustehen ist schweisstreibender, als mit der Stichsäge umgehen.

Nach dem Nachtessen meint J.C, er wolle kurz die neu gekauften LED-Spots im Bus austauschen und probieren – eine kurze Sache. Keine halbe Stunde später kriecht er, sich vor Schmerz windend, ins Wohnzimmer. Kalter Schweiss perlt auf der Stirn, er ist bleich wie ein Leintuch und sagt schmerzvoll: «Manu, ich habe da etwas…» und zeigt auf seine Bauch-Brust-Region.
So habe ich ihn noch nie gesehen. Das sind die Momente wo man sofort weiss, dass wirklich etwas nicht stimmt. Erst noch die Gedanken und der Verstand im Modus «Feierabend», stellt man automatisch auf Modus «Gefahr» und alle Sinne sind plötzlich völlig klar. Gemeinsam mit André packen wir ihn ins Auto und fahren ins nächstgelegene Spital. Dumm, wie sich später heraus stellt, dass es ein sich um das lokale «Wald-und-Wiesen-Spital» handelt.
Da J.C gar nicht mehr auf den eigenen Beinen stehen kann vor Schmerz, eile ich in das verschlafene Krankenhaus und sage wir hätten einen Notfall im Auto… Ab hier kürze ich ab, ansonsten müsste ich viele Schimpfwörter benutzen, um diesen Teil des Tages zu erzählen. Die Umkompetenz dieses Spitals hätte J.C das Leben kosten können. Das Personal interessierte sich überhaupt nicht, die Behandlungen waren eine einzige Katastrophe. Was ihm fehlt haben sie sowieso nicht herausgefunden, da man ein MRI hätte machen müssen. Aber anstelle ihn dafür nach Aarau zu fahren, hat man ihn unnötigerweise eine Nacht dabehalten. Am nächsten Morgen erfahre ich dann endlich, dass man J.C – «wenn es denn sein müsse» – doch nach Aarau ins Spital fahren würde.

Bis dort das MRI von J.C gemacht wurde, war doch schon wieder Nachmittag. Aber in Aarau haben sie ihn zumindest sofort unter sehr starke Schmerzmittel gesetzt und er hat mehrheitlich geschlafen. Bis etwa sieben weisse Kittel mit neutralem Gesichtsausdruck sich um sein Bett versammeln und ein Kittel meint: «Wir kennen nun die Ursache seiner Schmerzen». Man ist irgendwie auf alles gefasst. Aber man hält sich immer noch an der Option «ich-wache-bald-von-diesem-Albtaum-auf» fest. Es ist einem jedoch genau bewusst, dass sieben weisse Kittel nichts Gutes verheissen. «Er hat eine Aortendissektion, aber hatte furchtbar Glück. Wir müssen jedoch sofort reagieren, denn es ist eine lebensbedrohliche Sache.» – «Er hat eine was?» Und schon bugsieren sie ihn auf dem rollenden Bett in eine Art leeren OP-Saal. Die unterschiedlichsten Menschen löchern mich mit vielen Fragen. Dabei habe ich doch so viele Fragen. Eine Ärztin versucht mir dann irgendwie zu erklären, um was es geht: «Wir setzen ihren Mann nun unter sehr starke Schmerzmittel, er darf absolut keine Schmerzen mehr haben, denn jeder Krampf könne einen kompletten Riss der Aorta verursachen.»

Grob gesagt haben sich die Wandschichten seiner Aorta (Hauptschlagader) aufgespaltet. Die Aorta hat drei solcher Schichten – wie eine Zwiebel. Und die innerste Gefässwand hat sich von unter dem Hals über die ganze Länge bis zum Oberschenkel gespalten. Darum der Schmerz. «Das sei aber noch nicht alles», meint die Ärztin. «Ich zeige ihnen was passiert ist» und schiebt mich in ihr Büro.
Sie startet den Computer auf und zeigt mir mit unterschiedlichsten Bildern, was in J.Cs Körper vorgeht. «Der Riss ist die eine Gefahr, die wir momentan bannen müssen», klärt sie mich auf.
Darum möchten sie ihn, sobald alles vorbereitet ist, ins Unispital nach Zürich verlegen. So nah an einen OP-Saal wie möglich. Die Gefahr, dass die Aorta völlig reisse, sei nicht vorüber.
«Dann ist noch ein anderes Problem», meint sie. «Na klar», denke ich «als ob ein Problem nicht reichen würde»…
Genau beim Beginn der Aorta, also beim Herzen, wurde eine sehr grosse Erweiterung der Aorta im MRI entdeckt. Ein sogenanntes Aortenaneurysma. Sie zeigt mir weitere Bilder fürs bessere Verständnis. Sie redet von Herzoperation, Herz-Lungen-Maschine, von Aortenbogenersatz – ich verstehe zu dem Zeitpunkt nicht immer alles, weiss jedoch ganz genau, dass hier J.Cs Leben an einem seidenen Faden hängt. Ich erstarre vor den flirrenden Bildern. Ich fühle mich machtlos, alleine und weine einfach auf ihre Tastatur.

Irgendwann funktioniert man einfach nur noch. J.C bekommt sowieso nichts mehr mit. Mit Blaulicht fahren wir nach Zürich, wo er in der Intensivstaion ruhig gelegt wird. Es folgen unruhige, angstvolle und sehr stressige Tage.
Zum Glück muss nie eine Notoperation durchgeführt werden. Nach zehn aufreibenden Unispital-Tagen wird er dort entlassen, mit der Auflage sich wie ein 90-jähriger zu verhalten. Mit immer noch vielen offenen Fragen leitet uns der Hausarzt zum Glück ins Herzzentrum Hirslanden weiter, wo wir einen Spezialisten treffen. Endlich werden all unsere Fragen beantwortet. Zwar sind die Tatsachen sehr ernüchternd, aber mit Fakten kann man lernen umzugehen.

Über den Dächern.

Über den Dächern von Zürich am Uni-Spital.

Die Zeit am Unispital.

Die Zeit am Unispital.

Eine Operation wird es zwar geben. Zuerst ist jedoch wichtig, dass sich seine Aorta stabilisiert. Der «Riss» schliesst sich nie mehr und kann auch nicht heilen, wird sich aber eine Art festigen. Denn die bevorstehende Operation der Erweiterung am Herzausgang, kann erst durchgeführt werden, wenn die Aorta wieder einigermassen stabil ist. Das erfordert mindestens drei Monate komplette Ruhe. Zu lange darf man auch nicht zuwarten, denn das Aneurysma hat bereits einen Druchmesser von 6 cm. Ab 5 cm muss normalerweise dringend operiert werden, denn es könnte platzen…
Das Ausharren auf die Operation begann Mitte Juli, war mit vielen «Aufs und Abs», Anspannungen, Arztbesuchen, Bangen und Ängsten verbunden. Der OP-Termin wurde dann auf Ende Dezember 2012 gesetzt.

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